Jakobsweg

Burgos – Rabe de las Calzadas

5 lipca 2011

In dem kleinen Hotel in Burgos nehmen wir noch ein Frühstück zu sich, ganz ohne Zeitdruck. Für den ersten Tag auf dem Jakobsweg haben wir lediglich 9 Kilometer geplant, ein kleines Warm-up um die Wegbeschaffenheit, die Schuhe und die eigenen Kräfte zu testen. Die große Tasse Cafe con leche ist jetzt genau das richtige.

Die zwei Scheiben Zwieback mit Marmelade verdienen bei einem Mitteleuropäer allerdings kaum den Namen „Frühstück“ also stecke ich mir einen Müssliriegel vorsichtshalber in die Rucksack-Seitentasche, sozusagen griffbereit. Auf der anderen Seite eine volle Wasserflasche. Wir laufen los und finden prompt die ersten Jakobsmuscheln aus Metal, die in den Gehsteig eingelassen sind.

Ausserhalb der Stadt treffen wir auf viele Pilger zu Fuß und auf Fahrrädern, alle grüßen mit „Hola!“ und „Buen Camino!“. In Tardajos machen wir eine kurze Kaffeepause. Von der netten Dame bekommen wir dazu noch zwei Muffins geschenkt.

Gestärkt schaffen wir die letzten Kilometer im guten Tempo und stehen nur in Rabe de las Calzadas vor der noch verschlossenen Herberge. Wir suchen also die kleine Kirche auf, wo es schattig und kühl ist. Ich nehme die kleine Eselfigur aus meiner Hosentasche raus und stelle ihn auf die Bank neben mir. Den habe ich mir letztes Jahr auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt gekauft, nach meiner Jakobsweglektüre, in der ein Pilger eben mit einem (echten) Esel den Camino geht. Das Buch hat mir von all den Jakobsbücher am besten gefallen, es war am lustigsten, auch wenn der Autor manchmal etwas zu heftig über das Christentum lästert.

Ich habe nun auch einen Esel dabei, wenn auch so kleinen. Er schaut mich mit seinen großen Augen und schielt dabei, so dass ich immer lächeln muss. Er strahlt auch gewisse Gelassenheit, Robustheit und Demut aus, immerhin ist Jesus auch auf einem Esel nach Jerusalem eingezogen. Ich mache ein Foto von meinen verstaubten Wanderschuhen und meinem kleinen Begleiter. Später werde ich über das erste Pilgerfoto schmunzeln, auf dem meine Hosenbeine noch schön, fast nach Maß hochgekrempelt sind.

Die Herberge öffnet um eins. Die Schuhe und Stöcke müssen im Eingangsbereich bleiben. Im kleinen gemütlichen Speisesaal erledigen wir die Formalitäten. Das Haus erinnert mich an die Exerzitienhäuser in die wir früher im Sommer gefahren sind. Es tut gut hier zu sein. Oben dann eine Überraschung. In dem 8-Bett-Zimmer wohnen gemischt männliche und weibliche Pilger. Ich schaue die Anna verdutzt an, sie nimmt es aber vollkommen gelassen.

Für sie ist wichtig, dass sie unten schlafen kann, also schwenke ich mich auf das obere Stockbett und ziehe meine Socken an. Na sieh mal einer an – erster Tag, erste Blase. Die werde ich nach der Dusche schön durchstechen, desinfizieren und mit einem Pflaster sicher verpacken. Durch das nur mit Fliegengitter ausgestattete Fenster sieht man direkt auf die kleine Kirche. Viel mehr als die Herberge und die Kirche hat diese Ortschaft auch nicht zu bieten. Es gibt nicht mal einen Laden – es kommt einier auf Rädern in der Früh

Noch vor ein paar Jahren war es für mich unvorstellbar in einer Herberge mit fremden Leuten zu übernachten. Hier allerdings fühle ich mich irgendwie sicher. Im Zimmer herrscht stille. Die meisten Pilger legen sich gleich nach der Ankunft schlafen, also benehmen sich die anderen so leise wir nur möglich. Es sieht nicht danach aus, dass hier jemand, wie in einer Jugendherberge, betrunken rumzutoben vorhat, also atme ich entspannt auf und schlafe auch ich nach einer schnellen Dusche ein. Essen werden wir dann am Abend etwas. Der gemischte Schlafsaal kommt mir trotzdem etwas komisch vor und wie sich später rausstellt, gibt es in größeren Ortschaften durchaus Herbergen (meistens private), die getrennten Schlafräume für Männlein und Weiblein anbieten. Ich werde danach Ausschau halten. Vor dem Einschlafen erinnere ich mich noch an die erste Reportage über den Jakobsweg die ich vor Jahren im deutschen Fernsehen sah. Die Herberge dort sah eher nach mit Plastikfolie bedeckten Garage aus. Bei dem Anblick hat es mich geschüttet, und trotzdem weckte der Bericht in mir das Bedürfnis, dieses Abenteuer zu wagen. Das scheint das Motto meines ersten Camino zu sein – sich den eigenen Ängsten zu stellen. Das erinnert mich auch gleich an meinen Chef, der nie die Worte „Problem“ oder „Schwierigkeit“ in den Mund nimmt, sondern sie immer „Herausforderungen“ nennt.

Am Abend essen wir dann unsere Fertigmenüs, die man nur mit heißem Wasser aufgießen muss und gehen wieder schlafen.

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