
Gloria
Würde ich diese Folge für meine Bekannten in Polen machen, würde ich an der Stelle sagen: „Na ja, Gloria ist in der alten Messe genauso wie in der neuen, nur halt auf lateinisch“. Und damit wäre das Thema eigentlich erledigt. In Deutschland sieht die Sache aber etwas anders aus.
Fangen wir damit an, dass ich das Gloria auf Deutsch gar nicht kenne. Auf Polnisch habe ich erst vor der Erstkommunion gelernt und das mehr oder weniger automatisch, weil es in fast jeder Sonntagsmesse gesungen wird. Auf Lateinisch paar Jahre später im Chor und dann über die Jahre, die ich zur alten Messe
gehe. Nun lebe ich seit 9 Jahren im deutschsprachigen Raum und kann mich in dieser Zeit an keine Messe mit Gloria auf Deutsch erinnern. Und so sehr ich als Organistin auch die Schubertmesse eigentlich gespielt habe, so schade finde ich es, dass man damit die Messtexte ersetzt.
Warum rege ich mich aber darüber auf? In der alten Messe wurde und wird doch genauso die Schubert-Messe oder andere Messlieder gesungen oder? Stimmt, somit wären wir zurück bei meiner Aussage aus der Folge über das Wort Gottes: In Deutschland wurde die Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils bis heute nicht umgesetzt. Im Bezug auf die Wortgottesliturgie habe ich die Folge hier verlinkt, über Gloria und andere Messtexte lese ich nun aus der Liturgischen Konstitution Sacrosanctum Concilium des II Vatikanischen Konzils, Nr. 54:
Der Muttersprache darf im Sinne von Art. 36 dieser Konstitution in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden, besonders in den Lesungen und im „Allgemeinen Gebet“ sowie je nach den örtlichen Verhältnissen in den Teilen, die dem Volk zukommen. Es soll jedoch Vorsorge getroffen werden, dass die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können
Konkret meine ich den letzten Satz. „Es soll jedoch Vorsorge getroffen werden, dass die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können“.
Fürs Erste, unter Ordinarium verstehen wir die gleichbleibende Teile der Heiligen Messe, in diesem Kontext konkret die fünft Gesänge: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei. Diese, die wir auch aus den großen Messkompositionen und aus Messliedern kennen. Letztere wurden in Volkssprache, oft gereihmt verfasst. Sie wurden vom Volk gesungen an den Stellen, wo der Priester die entsprechenden Teile auf Lateinisch gebetet hat.
Das Ziel, das sich das letzte Konzil aber gesetzt hat, war die Messtexte dem Volk zugänglicher zu machen. Deswegen wurden sie auch in die Landessprachen übersetzt. In Polen wurden in den Jahren nach dem Konzil mehrere Messen komponiert, in denen genau die Messtexte nun mal in der Landessprache vertont wurden. Alleine in den Standard-Lernunterlagen für Organisten habe ich an die 18 Stück gesehen. In meinem Video habe ich zwei kurze Ausschnitte eingefügt, von Chor-Interpretationen, die ich besonders mag.
Damit ist dem Wunsch des Konzils noch nicht ganz entsprochen, dass die Gläubigen Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch singen können, aber immerhin in der Landessprache kennt es jeder mehr oder weniger auswendig, der sonntags in die Kirche geht.
In Deutschland singen wir meistens weiterhin irgendwelche Gloria-Lieder an dieser Stelle. Als hätte das Konzil nie stattgefunden.
Was stört mich aber daran, wenn es doch in der alten Messe genauso war, für die ich doch plädiere? Nun, in der neuen Messe fällt in so einem Fall aber das Gloria komplett weg. Der Priester singt nämlich mit dem Volk brav mit irgendein mehr oder weniger passendes Gloria-Lied und ein Teil der Heiligen Messe fällt einfach weg. Das Volk wird nicht in die Liturgie der Heiligen Messe mit reingenommen, sondern die Liturgie wird beschnitten.

Introitus und Kyrie

Gloria (2)
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