
vitale Immanenz
In der letzten Folge haben wir über Agnostizismus gesprochen, der jegliche Grundlagen der natürlichen Theologie und äußeren Offenbarung unmöglich macht, und ebenso die Vorbedingungen des Glaubens. Auf letztere bin ich da nicht eingegangen, wollte jetzt noch kurz zurück kommen und zwar anhand des Buches „Hundert Jahre Modernismus“ von von Fr. Dominic Bourmaud. Leider habe ich dieses geniale Buch nur auf Englisch und Polnisch gefunden. Ich füge hier ein kleines Potpourri von Passagen in einer unautorisierten Übersetzung mit Hilfe von Translator bzw. Paraphrase:
Wie es der Philosoph Maritain sagt, ist die Suche nach der Wahrheit und die Liebe zur Wahrheit das was uns als Menschen ausmacht. Jesus sagt über Sich selbst: Ich bin die Wahrheit.
Durch den Glauben erkennen wir die höchste Wahrheit. Der Glaube selbst setzt jedoch rationale Elemente voraus, wie die natürliche Gewissheit der Existenz Gottes.
Der Glaube ist zwar übernatürlich und mysteriös, aber nicht weniger von rationalem Licht durchdrungen. Reine Vernunft führt uns an die Schwelle des Glaubens. Es ist die Vernunft, die uns erlaubt, die historische Tatsache der göttlichen Offenbarung zu erfassen. Die Vernunft lässt uns erkennen, dass wir an den Gott aller Wahrheit glauben müssen. Sobald wir die Schwelle des Glaubens überschritten haben, werden unsere Schritte durch das Licht der Vernunft weiter gefestigt und geleitet. Der Glaube muss auch durch ein gewisses intellektuelles Erfassen des unergründlichen Geheimnisses Gottes und der göttlichen Dinge ergänzt werden. Credo ut intelligam – Ich glaube, um zu verstehen. Das nennt man Theologie. Und Theologie benötigt die Grundlage die natürliche Weisheit, deren menschliche Vernunft fähig ist – die Philosophie.
Die ganze griechisch-römischen Zivilisation ist darauf ausgerichtet, die Wahrheit zu ergreifen: das Sein zu erkennen und vor allem den zu kennen, der das Sein selbst ist.
Aristoteles erkannte im Gegensatz zu den anderen Weisheitssuchenden seiner Zeit, dass die menschliche Vernunft die Realität kennt und bestätigen kann, was wahr ist. Seine Prinzipien sind in jeder Phase der philosophischen Untersuchung, von ihrem Ursprung bis zu ihrem Abschluss, zutiefst realistisch. Dieser Realismus macht seine Prinzipien unangreifbar, auch wenn einige ihrer konkreten Anwendungen durch den Fortschritt der Wissenschaft obsolet geworden sind (z. B. seine ptolemäische Astronomie).
Das Wissen über die höchste Wahrheit, die Gott selbst ist, gewinnt man in drei Schritten oder auf drei Ebenen
- die Philosophie erlangt natürliches Wissen von dem, was existiert;
- der Glaube erhält durch göttliche Offenbarung übernatürliche Wahrheiten über Gott;
- und die Theologie stellt eine Synthese aus diesen beiden Wissensquellen her.
Dabei basiert jede der drei Disziplinen auf gewissen Selbstverständlichkeiten, Annahmen oder besser gesagt Erkenntnisse, ohne die sie nicht möglich wären:
- Die Natur der Dinge kann tatsächlich erkannt werden;
- göttliche Offenbarung ist für die Augenzeugen direkt ersichtlich, indirekt für andere;
- Vernunft und Glaube sind in vollkommener Harmonie.
Wie wir schon gesehen haben, widerspricht der Modernismus der ersten Erkenntnis, indem er sich auf die Position des Agnostizismus stellt.
Behauptet der Modernismus aber, dass man die Existenz Gottes nicht erkennen kann, steht er vor dem Problem, wie erklärt sich dann der Glaube und die Existenz von Religionen.
Nachdem man aber die natürliche Theologie beseitigt und durch Leugnung der Beweggründe des Glaubens zur Offenbarung den Weg versperrt, ja jede äußere Offenbarung selbst zu einer Unmöglichkeit gemacht hat, such man außerhalb des Menschen vergebens nach einer Erklärung. Sie muss sich also im Menschen selbst finden; […] Daher das Prinzip der religiösen Immanenz. Für jedes Lebensphänomen liegt der letzte Grund in einem gewissen Bedürfnis oder Antrieb. Weil also Gott der Gegenstand der Religion ist, so ergibt sich der Schluss, dass der Glaube, der Anfang und die Grundlage einer jeden Religion, in einem tiefinnerlichen Gefühle bestehe, welches aus dem Bedürfnis nachdem Göttlichen entspringt. Weiterhin kann aber dieses Bedürfnis nach dem Göttlichen an und für sich nicht in den Bereich des Bewussten gehören, weil es sich nur unter besonders günstigen Bedingungen regt; zunächst bleibt es vielmehr im Unterbewusstsein. […]
Angesicht des Unerkennbaren, sowohl dessen, welches außerhalb des Menschen und jenseits der sichtbaren Natur, als auch dessen, welches innerhalb im Unterbewusstsein ruht, erregt das Befürfnis nach dem Göttlichen in einem religiös gestimmten Gemüte ein eigenartiges Gefühl, ohne daß ein Verstandesrteil vorausgeht. Dieses Gefühl ist es, was die Modernisten Glauben nennen, es ist ihnen der Anfang der Religion.
Pius X, Pascendi Dominici gregis, Sarto Verlag, Seite 11-13.
Vielleicht wundert sich jemand an dieser Stelle, was denn daran falsch sei. Die Heilige Schrift spricht immer wider davon dass wir uns Gott mit unserem Herz zuwenden sollen. Also müssen doch die Gefühle einen wesentlichen Teil unseres Glaubens darstellen oder? Was leider den meisten an dieser Stelle entgeht ist, dass in der biblischen Sprache das Herz so gar nicht diese romantische Symbolik besitzt, die sie für uns heute hat. Herz in der Bibel ist der Sitz der höchsten menschlichen Kräften das heißt der Vernunft und des freien Willen, mit dem er fähig ist zu lieben. Wenn die Bibel von Emotionen spricht, spricht sie meistes von den Nieren des Menschen und nicht vom Herz. Diese Symbolverschiebung sorgt leider für jede Menge Verwirrung bis heute.
Ihre Philosophie, oder besser ihre Träumerei, ist hier aber noch nicht zu Ende. Sie finden in dem beschriebenen Gefühle nicht nur den Glauben sondern bei dem Glauben und in dem so verstandenen Glauben, meinen sie, liege zugleich auch die Offenbarung. […]
Pius X, Pascendi Dominici gregis, Sarto Verlag, Seite 13.
So, Ehrwürdige Brüder, kommen also die Modernisten zu der widersinnigen Behauptung, jede Religion sei zugleich eine natürliche und eine übernatürliche. Auf diese Weise geschieht es, dass sie Bewusstsein und Offenbarung im gleichen Sinn gebrauchen. Daher hr Gesetz, das religiöse Bewusstsein sei die allgemeine Norm, die mit der Offenbarung ganz auf einer Stufe stehe; ihr müsse sich alles beugen, selbst die höchste kirchliche Gewalt, ob sie nun Lehren oder kultische und Disziplinarsatzungen aufstelle.
Ich glaube das sehen wir heute gerade in voller Deutlichkeit. Wenn wir uns die Argumentation vom Synodalen Weg anschauen, basiert sie in großen Teilen auf der Annahme, dass das Gefühl mehr oder weniger das einzig relevante Locus theologicus sei.
Das kommt immer wieder in den Diskussionen über Frauenpriestertum besonders deutlich zu Vorschein. Die meisten Befürwortern sprechen davon, dass es doch viele Frauen gibt, die zum Priestertum berufen sind, warum dürfen sie dann dieser Berufung nicht folgen. Damit meinen sie aber eigentlich dass sich Frauen zum Priestertum berufen FÜHLEN. Und nachdem das Gefühl im Modernismus die einzige Offenbarungsquelle ist, wie gerade eben gelesen, ist für sie dann weder nachvollziehbar noch akzeptabel, dass es zwischen „sich berufen fühlen“ und „berufen sein“ einen wesentlichen Unterschied gibt und das dieses Gefühl von der Gemeinschaft der Kirche geprüft werden muss, für die Gott ja Menschen beruft.
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