Katechismus

16. Seele und Körper

Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das aus Seele und Leib besteht. Die Seele ist der geistige Teil des Menschen, durch den er lebt, denkt, frei ist und deshalb fähig, Gott zu erkennen, Ihn zu lieben und Ihm zu dienen.

Katechismus der katholischen Lehre des hl. Papst Pius X, 60-61.

Es gab in der Geschichte immer wieder Phasen wo der eine oder der andere Teil überbewertet wurde. Heutzutage laufen wir eigentlich beide Gefahren auf einmal.

Einerseits stellen wir bei der Betrachtung der Welt fest, dass sie größtenteils dem Körper huldigt in einem zumindest praktischem Materialismus. Aber auch in der Kirche macht sich diese Tendenz bemerkbar in einigen Tendenzen. Da bietet gerade die Corona-Zeit einen wunderbaren Beispiel dafür. Und zwar auf beiden Seiten des Corona-Fronts wenn ich das so nennen darf. Aber das ist nicht ein Corona-spezifisches Thema. Dasselbe sehen wir in jeder Bedrohungssituation, auch jetzt bei Kriegsgefahr wieder. Der Corona-Beispiel ist aber schön bildlich, deswegen nehme ich ihn.
Einerseits sehen wir als Zielsetzung – um jeden Preis eine Infektion zu vermeiden, auch wenn wir dafür Menschen von Sakramenten aussperren. Die unsterbliche Seele spielt nur noch eine untergeordnete Rolle, hauptsache man rettet den Körper für die nächsten was? 5, 20, 30 Jahre?
Aber auch dem anderen Extremum liegt ein ähnlicher Fehler zu grunde. Wenn jemand jegliche Schutzmaßnahmen mit der Begründung verweigert, dass Gott ihn schützen wird, kommuniziert er im Grunde dasselbe: meine körperliche Gesundheit ist so wichtig, dass Gott dafür das ist, auf meinen Glauben hin, die Naturgesetze ausser Kraft zu setzen um mich vor Infektion zu schützen.
In beiden Trends fehlt einfach der wesentliche übernatürliche Ziel unseres Glaubens. Das ewige Heil, das sich in erster Linie auf die Seele bezieht.
Der katholische Glaube blendet aber nicht naiv Gefahren für den Körper aus und wir stürzen uns nicht von der Ecke des Tempels in die Tiefe. Wir nehmen aber Gefahren für die unsterbliche Seele ernster als Gefahren für den sterblichen Körper.

In diesem Punkt zeigt die Kirche in den letzten Jahren leider einen großen Versagen, sie tut es aber in Wirklichkeit schon seit Jahrzehnten, nur nirgendwo vorher kam das so extrem und geschlossen zum Vorschein.
Zwei weitere sehr eindeutige Beispiele ist erstens, dass die Kirche sich selbst auf eine charitative Organisation reduziert und zweitens den menschlichen Gelüsten folgt und ihre Lehre anpasst. Beides ist im Grunde genommen das Überbetonen der körperlichen Dimmension des Menschen.

Auch wenn wir in der Theologie und unserem geistigen Leben sich vor allem auf die Gefühlswelt konzentrieren, reduzieren wir den Menschen gewissermaßen auf seie tierische Bestandteile. Emotionen haben wir nämlich mit den Tieren gemeinsam. Was den Menschen hervorhebt ist seine geistige Seele, das heißt, wie der Katechismus lehrt, die Vernunft und der freie Wille. Ein Katholik betet, geht in die Kirche und folgt den Gebeten nicht weil und nur dann wenn er sich dadurch gut fühlt oder das Bedürfnis verspürt, sondern weil er mit der Vernunft Gott und seinen Willen erkennt und mit dem Willen Ihm folgt.

Es gibt aber auch die zweite Tendenz in der Kirche heute und erstaunlicherweise existiert sie gleichzeitig und oft an derselben Stelle, obwohl sie irgendwie der ersten widerspricht und zwar das Ausblenden des körperlichen Elements. Hiermit meine ich aber den Körper an sich, ohne das Gefühlselement, das so bißchen an der Grenze ist.
Was meine ich damit? Ich war in den letzten Jahren bei einigen Begräbnisen, katholischen und evangelischen. Zum Thema Tod mache ich aber demnächst eine separate Folge, sonst würde das hier zu lang werden. Der Kontrast konnte kaum größer sein, vor allem in der äußerlichen Form. Bei der evangelischen Begräbnis wurde gesprochen, gebetet und gesungen und das war’s. Kein Weihrauch, kein Weihwasser usw. Warum spreche ich davon?

Die unzähligen Elemente der katholischen Liturgie sind nicht irgendein Schnickschnack mit magischer Bedeutung oder einfach nur Features um das ganze teurer zu machen. Nein, sie entsprechen der körperlich-geistigen Natur des Menschen.

Kann Gott ohne das Wasser der Taufe die Sünden nicht vergeben? Sicher kann Er das. Unseretwegen bedient Er sich aber des Wassers. Nicht ohne Grund ist das Wort Fleisch geworden. Wir sind eine Religion der Inkarnation.

Die Kirche hat über Jahrhunderte den Satz vom Aristoteles perfekt verstanden und umgesetzt: „Nihil est in intellectu, quod non sit prius in sensu“. Wir nehmen auch die göttliche Realität nicht abstrakt auf durch rein geistige Infussion sondern in Verbindung mit unseren Sinnen. Wie ich neulich in einer Predigt gehört habe: Wer zwanghaft versucht ein Engel zu sein, wird unvermeidbar zum Tier. Nicht ohne Grund geht die Verbreitung der abstrakten Kunst im Kirchenraum mit dem Zerfall des Glaubens zusammen. Wir mögen über die Biblia pauperum der früheren Zeiten lachen über reiche Symbolik für dumme ungebildete Bauer. Ob wir mit unserem abstrahierten destiliertem Glauben uns derartige Überheblichkeit leisten können, bezweifle ich jedoch.

Letztendlich werden wir heute in der Kirche durch widersprüchliche Botschaften bombardiert und zwar das, was wir sehen widerspricht oft dem, was wir hören. Ich meine zumindest dort, wo der Glaube an die Realpräsenz überhaupt noch gepredigt wird, die sich gleichzeitig aber im Handeln überhaupt nicht widerspiegelt, sondern stattdessen die Mundkommunion im Knien und mit Kommunionpatene durch stehende Handkommunion mit Helferin in enger Jeans ersetzt wird? Das gesprochene Wort geht durch das andere Ohr wieder raus, wenn die Augen das genaue Gegenteil erleben.

Und da ich schon das Knien erwähnt habe, bleiben wir dabei. Das war nämlich der erste Aspekt – unsere Wahrnehmung. Es gibt aber noch die aktive Seite und zwar wie wir unseren Glauben ausdrücken. Und hier kann man wieder all das erwähnen, was in der Liturgiereform als „unnötiger Balast und Wiederholungen“ abgeschafft wurde. Stattdessen zitiere ich aber wieder eine kurze Passage aus den „Dienstanweisungen für einen Unterteufel“:

Zumindest kann man ihnen weismachen, dass ihre Körperhaltung für ihre Gebete keine Rolle spielt. Denn sie vergessen ständig, was du stets bedenken musst, nämlich dass sie Tiere sind und dass alles, was ihr Körper tut, auch ihre Seele beeinflusst. Es ist zu komisch, dass die Sterblichen sich immer vorstellen, wir würden ihnen Dinge in den Kopf setzen: In Wirklichkeit erzielen wir die besten Ergebnisse, indem wir Dinge daraus fern halten.

C.S. Lewis, Dienstanweisungen für einen Unterteufel, IV.

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