
Was ist katholisch?
Wer gestern den Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsversammlung der DBK aus Vierzehnheiligen verfolgt hat, hat womöglich genauso wie ich bei der Predigt nicht schlecht gestaunt. Ich war live vor Ort und war mir unsicher, ob ich nicht doch die Kirche vorzeitig verlassen sollte. Ich hielt aber durch und dafür erlaube ich mir heute einen Kommentar. Ich zitiere hier nur zwei kurze Passagen, wer den ganzen Text unbedingt lesen oder hören möchte, finden ihn im Internet, tut er aber auf eigene Gefahr 😉
Katholizität, so hat es der französische Jesuit Henri de Lubac durch beharrliche Studien herausgearbeitet, ist ein Zielbild, geschichtlich stets eine Herausforderung und niemals Besitzstand, den es zu verteidigen gilt. „Der Katholizismus […] ist die Form, die die Menschheit annehmen soll“, schreibt de Lubac, „um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die, um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen, also alles andere als eine ‚geschlossene Gesellschaft‘“ […]
Katholisch, das ist gelebte Verbundenheit, nicht konfessionelle Enge, nicht Abschottung und Identität durch Grenzziehungen. […]
Man mag sich die Augen reiben […]
Ja, man reibt sich tatsächlich die Augen. Ich frage mich, was de Lubac wohl beharrlich studiert hat, um zu dieser seltsamen Definition zu kommen. Es reicht nämlich schon ein flüchtiger Blick in die Schriften der Kirchenväter, um zu sehen, dass diese Definition verkehrt ist. Die Kirchenväter haben „katholisch“ immer in Abgrenzung von Irrlehren verwendet. In den meisten Glaubensbekenntnissen der ersten Jahrhunderte finden wir die Formulierung „das ist der katholische Glaube und so muss man glauben um gerettet zu werden“.
An dieser Stelle höre ich meistens den Einwand: aber „katholisch“ heißt doch allumfassend. Ja, oder besser gesagt universell. Weil die katholische Kirche das ganze Universum umfasst. Der katholische Glaube ist universelle Wahrheit für alle Menschen aller Zeiten, für alle gleichsam gültig und zum Heil notwendig. Also das genaue Gegenteil von „jeden Schmarrn und jede Häresie umfassend“.
Ich zitiere hier nur zwei Abschnitte aus den Schriften der Kirchenväter als Beispiel:
Der neuerschienene Drache ist der tückische Mensch mit giftgeschwollener Zunge, der der Überlieferung der Lehrmeister des Erdkreises, ja auch der ganzen gotteingegebenen Schrift Lebewohl sagt und sich selbst Neues ersinnt und nun behauptet, man solle die heilige Jungfrau nicht Gottesgebärerin nennen, sondern Christusgebärerin und Menschengebärerin. Auch noch andere dumme und sinnlose Sätze verficht er, die den rechten und reinen Lehren der katholischen Kirche widersprechen.
Cyrilius von Alexandrien
Stephanus, der Überbringer dieses Schreibens, hatte die Wahrheit einiger Glaubenspunkte bezweifelt und sich deßhalb von der Gemeinschaft der katholischen Kirche auf so lange getrennt bis Gott, der Richter der Wahrheit, ihn wieder auf den rechten Weg zurückführen würde. Wisse, daß er Uns Genugthuung geleistet und mit der katholischen Kirche sich wieder im Glauben vereinigt habe. Wir haben aber in Erfahrung gebracht, daß sich in der Stadt Neapel Mehrere befinden, die an demselben Zweifel leiden.
Gregor der Große
Vinzens von Lerins fasst das schön systematisch zusammen:
In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst. Aber diese Regel werden wir befolgen, wenn wir der Universalität, dem Alter, der Übereinstimmung folgen. Wir folgen aber demgemäß der Universalität, wenn wir bekennen, dass der eine Glaube wahr ist, den die gesamte Kirche in der ganzen Welt bekennt; dem Alter aber so, wenn wir in keiner Weise von den Meinungen abweichen, von denen feststeht, dass unsere heiligen Vorgänger und Väter sie vertreten haben; der Übereinstimmung, in gleicher Weise, wenn wir uns in jenem Altertum [gemeint ist die Zeit der Vorgänger und Väter] den Definitionen und Meinungen aller oder wenigstens fast aller Priester und Lehrer halten.
Und weiter, was sogleich die perfekte Antwort auf die derzeitige Diskussion ist:
Aber vielleicht sagt jemand: Wird es also in der Kirche Christi keinen Fortschritt der Religion geben? Gewiss soll es einen geben, sogar einen recht großen. Denn wer wäre gegen die Menschen so neidisch und gegen Gott so feindselig, dass er das zu verhindern suchte? Allein es muss in Wahrheit ein Fortschritt im Glauben sein, keine Veränderung. Zum Fortschritt gehört nämlich, dass etwas in sich selbst zunehme, zur Veränderung aber, dass etwas aus dem einen sich in ein anderes verwandle. Wachsen also und kräftig zunehmen soll sowohl bei den einzelnen als bei allen, sowohl bei dem einen Menschen als in der ganzen Kirche, nach den Stufen des Alters und der Zeiten, die Einsicht, das wissen und die Weisheit, aber lediglich in der eigenen Art, nämlich in derselben Lehre, in demselben Sinne und in derselben Bedeutung.
Das ist aber alles Schnee von gestern er lebte im 5 Jh doch.
Auf dieses Werk bezieht sich aber zum Beispiel Pius IX. in der Dogmatischen Bulle Ineffabilis Deus 1854:
Die Kirche Christi ist nämlich nur die treue Bewahrerin und Verteidigerin der in ihr niedergelegten Glaubenswahrheiten, an denen sie nichts ändert, an denen sie keine Abstriche macht und denen sie nichts hinzufügt. Mit aller Sorgfalt, getreu und weise behandelt sie das Überlieferungsgut der Vorzeit. Ihr Streben geht dahin, die Glaubenswahrheiten, die ehedem gelehrt wurden und im Glauben der Väter gleichsam noch im Keim niedergelegt waren, so auszusondern und zu beleuchten, dass jene Wahrheiten der himmlischen Lehre Klarheit, Licht und Bestimmtheit empfangen, zugleich aber auch ihre Fülle, Unversehrtheit und Eigentümlichkeit bewahren und nur in ihrem eigenen Bereich, d. h. in ein- und derselben Lehre, in ein- und demselben Sinn und in ein- und demselben Gehalt.
Kommen wir auf die berüchtigte Predigt von Montag zurück, da wo wir stehen geblieben sind:
Man mag sich die Augen reiben aber genau diese Einsicht wurde im Zweiten Vatikanischen Konzil zur Triebfeder, herauszutreten aus konfessioneller Selbstbehauptung hin in eine ökumenische Weite, die den Christusglauben der anderen hoch schätzt und davon überzeugt ist, dass sich die Erkenntnis der Wahrheit im Dialog und im Austausch der Gaben mit anderen Christinnen und Christen vertieft. Katholizität muss sich nicht entgegensetzen. Dieser Impuls verhalf dazu, einen kämpferischen Antimodernismus zu überwinden und die Welt grundlegend positiv als Fundort und Bewährungsraum des Glaubens zu entdecken.
Nun, sollten diese Worte der Wahrheit entsprechen, würde das bedeuten dass nicht nur die deutsche Kirche von heute, sondern bereits das Konzil sich von der katholischen Lehre der Kirchenväter und des Magisteriums entfernt hätte.
Interessanterweise schreibt aber Papst Paul VI. in der Apostolische Konstitution Indulgentiarum doctrina 1. Januar 1967 also bereits nach dem Konzil wie folgt:
Wie ein großer Baum, der seine Wurzeln tief in die ihn seit Jahrhunderten nährende Erde getrieben hat, so hat auch die Kirche ihre Wurzeln in die Vergangenheit hinabgesenkt, um bis zu Christus und den Aposteln vorzudringen. In diesem Sinn ist die Unveränderlichkeit des Glaubensgutes – es wäre unsinnig, das zu bestreiten – über jeden Zweifel erhaben, und die Kirche hütet dieses Gut, wenn sie Dogmen, Sittengesetz und auch die Liturgie nach dem lichtvollen Grundsatz „Das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens“ darlegt.
Ich bleibe auf jeden Fall dem Antimodernismus, so wie der Heilige Papst Pius X ihn uns auferlegt hat, treu.

Argumentation

Döhlau - Oberkotzau
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