tridentinische Messe

Oration

Das Tagesgebet ist das erste Teil der Propria, den die Gläubigen immer zu hören bekommen, sowohl in der neuen, wie in der alten Messe. Unter anderem deswegen habe ich habe mir den in Anführungszeichen Spaß erlaubt, die Tagesgebete aus dem neuen und alten Messbuch zu vergleichen.

Sollte jetzt jemand eine Liste von häretischen Aussagen erwarten, die man in den neuen Texten entdeckt, muss ich ihn natürlich enttäuschen. Die Unterschiede sind viel subtiler. Es ist aber trotzdem sehr interessant sich mal anzuschauen, was weggelassen oder umformuliert wurde.

Neulich hat mich jemand gefragt, warum verwendet man in der alten Messe denn nicht zumindest das neue Lektionar mit dem nach dem Konzil erweiterten Angebot an Lesungen. Nun zum Lektionar komme ich das nächste Mal, aber eigentlich müsste man die Frage umdrehen. Warum verwenden wir in der neuen Messe nicht die alten Tagesgebete? Warum mussten sie durch neue ersetzt werden? Warum haben sie plötzlich nicht mehr gepasst?

Wenn die neue Messe auf derselben katholischen Theologie basiert, warum wurde dann nicht nur Form sondern auch die Texte verworfen und neu erschaffen?

Ich habe ein paar Beispiele hier gegenüber gestellt.
Zweiter Adventsonntag. Der frühere Text spricht von Aufrütteln und Läuterung der Herzen. Im neuen gibt es keinen Hinweis auf Sünde, von der wir geläutert werden müssten oder Aufrütteln zur Umkehr sondern nur noch von irdischen Aufgaben und Sorgen. Die sollen uns halt nicht hindern. So bisschen nach dem Motto, dass wir uns nicht nur auf die Weihnachtseinkäufe konzentrieren, sondern auch ein wenig Besinnlichkeit in den Advent reinfließen lassen.

Und die Gebete der anderen Adventsonntage sehen ähnlich aus. In den neuen Texten ist allgemein von Vorbereitung die Rede aber kein einziges Wort über Sünde oder Umkehr.

Der selbe Muster wiederholt sich in der dritten Weihnachtsmesse. Im Unterschied zum alten Ritus ist jetzt die Befreiung von dem Joch der Sünde raugefallen, zugunsten allgemeinerer angenehmerer Formulierungen. In der neuen Messe ist hier nur noch von „teilhaben an der Gottheit“ die Rede.

Um es nochmals zu betonen, ich sage nicht, dass die neuen Texte etwas falsches enthalten. Die Teilnahme an der Gottheit Christi ist eine korrekte und sehr biblische Formulierung, aber eine, die, wie neulich jemand angemerkt hat, sogar im hinduistischen oder anderem fernöstlichen pantheistischem Sinne ausgelegt werden kann. An der alten Formulierung, dass wir durch die Fleischwerdung und Geburt Christi von dem Joch und Knechtschaft der Sünde befreit werden, stören sich sogar Protestanten. Die neue Version ist zum Teil sogar für Nicht-Christen akzeptabel.

Aber ist das denn so falsch? Geht es mir darum, dass wir überall anecken und die Unterschiede unterstreichen? Nun, es geht nicht ums Anecken, aber da, wo wir eh schon mit einer totalen Aufweichung und Indifferentismus zu tun haben, sind wir als Kirche der Wahrheit und klarer Verkündigung verpflichtet. Sonst haben wir immer mehr mit einem New-Age-mäßigem Mischmasch zu tun, wie neulich auf einem christlichen Internetportal, wo ein Vater im Zusammenhang mit Vorbereitung auf die Taufe seines Kindes
fragt, ob bei der Taufe die Stirn-Chakra verschlossen wird…

Das Gebet am Fest der Unschuldigen Kinder ist in der alten und neuen Messe fast gleich, allerdings ist in der Mitte die Bitte „ertöte in uns die Übel aller Laster“ rausgefallen.

Ähnlich sieht es beim Fest der Heiligen Familie aus. Hier wiederum ist nicht mehr von Tugend und Unterweisung durch den Beispiel die Rede. Übung in den Tugenden und das Folgen einer
Unterweisung haben einen aktiven Aspekt unseres Bemühens und Zusammenarbeit mit der Gnade Gottes. In der neuen Version wird einfach die Gnade erbeten, die Frömmigkeit, Eintracht und Liebe bewirken soll. Eine scheinbar subtile Verschiebung und doch eine Aspektveränderung, die durch die Wiederholung doch ins Gewicht fällt.

Auch an den Sonntagen der Vorfasten- und Fastenzeit merken wir immer wieder dieses Ausweichen. Selbst in dieser Zeit der Buße und Umkehr wurde das Thema Sünde und ihre Konsequenzen mehrfach weggestrichen. Statt Umkehr und Buße hören wir am vierten Fastensonntag nur noch von frohem entgegeneilen dem Osterfest.

In der Oration der Chrisammesse hören wir in der alten Messe: „Herr und Gott, der Du Dich zur Wiedergeburt Deines Volkes des Amtes der Priester bedienst…“

Währenddessen spricht die neue Form ausschließlich von dem allgemeinen Priestertum. Ganz im protestantischem Geiste. Auch hier ist an der Aussage dass wir Anteil an der Würde Christi bekommen haben, absolut nichts falsch. Warum musste aber das Amtspriestertum hier weichen? Gerade wo bei der Chrisammesse sich alle Priester der Diözese um ihren Bischof versammeln auch da darf das Amt des Priesters nicht erwähnt werden? Wenn nicht da, wann dann?

In der Abendmahlmesse spricht das alte Tagesgebet schon von der Passion Christi, das neue thematisiert das Abendmahl am Grünndonnerstag selbst, was nicht weiter schlimm ist. In der neuen Version ist hier auch vom Opfer des Neuen Bundes die Rede, das der Kirche anvertraut ist, also durchaus katholisch. Trotzdem finde ich die alte Oration hier interessant…

Am Hochfest Heiligstes Herz Jesu wurde die alte Oration beibehalten. Es wurde aber eine mildere Alternative zur Auswahl gestellt als erste und kürzeste obendrauf. Für den Fall dass sich jemand daran stören würde, dass das Heiligste Herz Jesu durch unsere Sünden verwundet ist und dass wir dafür Genugtuung leisten sollen.

Noch ein kleiner Beispiel vom 2. Sonntag nach Pfingsten… Hier wurde die Leitung durch väterliche Hand ersetzt, also wieder der Aspekt einer durchaus aktiver Unterordnung und aktivem Folgen dem Willen Gottes durch eine viel allgemeinere Formulierung.

Für jemanden, der sich mit der protestantischen Theologie ein wenig auskennt, erschließt sich aus diesen Veränderungen ein relativ klares Bild. Wem sie nicht geläufig ist, empfehle ich den Film „Luther und die protestantische Revolution“. Der Film ist sehr lange, aber ich verlinke hier konkret die Stelle, wo seine theologischen Hauptgedanken besprochen werden, an die ich bei dem obigen Vergleich immer wieder erinnert wurde.

Die Veränderungen, die wir gesehen haben, entsprechen ganz klar dem, was der Hauptautor der nachkonziliaren Liturgiereform der Erzbischof Annibale Bugnini in einem Interview klar formuliert hat: Das Ziel war jeden möglichen Stein des Anstoßes für die protestantische Brüder aus den Texten zu entfernen, wörtlich „jeden Stein, der auch nur im entfernten einen Hindernis oder Schwierigkeit verursachen könnte“.

The Church was guided by the love of souls and the desire to do everything in order to smooth the way to union, to remove every stone which could represent even the shadow of a risk of a stumbling block or some displeasure for our separated brethren

A. Bugnini, L’Osservatore Romano, March 17, 1965.

Bestätigt auch durch Max Thurian aus der Taize-Gemeinschft:

There is nothing in this renewed Mass that can really bother evangelical Protestants

La Croix, May 30, 1969.

Die zitierten Messtexte stammen aus: Ramm, M. (2015). Volksmissale, Das vollständige römische Messbuch nach der Ordnung von 1962 lateinisch, deutsch. Priesterbruderschaft St. Petrus und: Schott-Messbuch für die Sonn- und Festtage des Lesejahres B (1984), Verlag Herder

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