
Antimodernismus abgeschafft?
In meiner ersten Antwort auf die Predigt von Bischof Bätzing bei dem Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsversammlung der DBK in Vierzehnheiligen sagte ich „sollte es so stimmen, dass das Konzil sich von dem Antimodernismus verabschiedet hat und ihn verurteilt hat, würde das bedeuten, dass das Konzil eine neue Religion erschaffen hat“. Es ließ mir aber keine Ruh und ich machte mich noch einmal daran, die Konstitution Gaudium et spes, die vom Bischof Bätzing als die Abschaffung des schlimmen schlimmen Antimodernismus ausdrücklich erwähnt wurde, noch einmal zu lesen. Seit meinem Theologiestudium sind 10 Jahre vergangen und in der Zwischenzeit habe ich mich hauptsächlich mit älteren Quellen beschäftigt. Es könnte also durchaus sein, dass mir diese Abschaffung entgangen ist.
Bischof Bätzing meinte, seit dem Konzil sehen wir die Welt, wo sich unser Glaube bewährt und wo wir sogar den Glauben finden, Stichwort „Zeichen der Zeit“. Diese Reduktion von Modernismus und Antimodernismus auf das Verhältnis zur Welt ist für jeden, der Pascendi oder Lamentabili gelesen hat, vorsichtig gesagt unberechtigt, aber lassen wir uns darauf ein.
Dass die Welt der Ort der Bewährung unseres Glaubens ist, kann ich nur zustimmen, dass wir den Glauben in der Welt finden, scheint mir jedoch im klaren Gegensatz zu den Worten Jesu zu stehen, also begab ich mich auf die Suche nach den „Zeichen der Zeit“ in „Gaudium et spes“. Und was finde ich da?
Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu DEUTEN.
Gaudium et spes, 4
Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu UNTERSCHEIDEN, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. […]
ibidem, 11
Insofern diese Werte nämlich aus der gottgegebenen Anlage des Menschen hervorgehen, sind sie gut. [also nicht alles was wir in der Welt finden automatisch zur Offenbarung Gottes erhoben werden kann] Infolge der Verderbtheit des menschlichen Herzens aber fehlt ihnen oft die notwendige letzte Ausrichtung, so dass sie einer LÄUTERUNG bedürfen.
Es ist Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu BEURTEILEN, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfasst, besser verstanden und passender verkündet werden kann.
ibidem, 43
Ich sehe damit keinen Anhaltspunkt um die Zeichen der Zeit zu einem locus theologicus im engeren Sinne zu erheben. Man zählt sie lediglich zu den loci alieni, die nicht von sich selbst eine Beweiskraft haben, sondern erst im Licht der Offenbarung interpretiert und gefiltert werden müssen, wie die Konstitution sagt.
Hat Gaudium et spes vielleicht in anderen Punkten die Enzyklika Pascendi widerrufen?
Ich habe zwei Berührungsbereiche gefunden, wo die Konstitution Gaudium et spes dieselben Themen anspricht, wie die Enzyklika Pascendi. Der erste bezieht sich auf das Problem der Philosophie, die wir erst kürzlich gelesen haben. Und hierzu sagt Gaudium et spes dasselbe aus, wie der Hl. Pius X, nämlich betont die Rolle der Vernunft in der Erkennung der Existenz Gottes:
Die Vernunft ist nämlich nicht auf die bloßen Phänomene eingeengt, sondern vermag geistig-tiefere Strukturen der Wirklichkeit mit wahrer Sicherheit zu erreichen, wenn sie auch infolge der Sünde zum Teil verdunkelt und geschwächt ist. Die zuerstrebende Vollendung der Vernunftnatur der menschlichen Person ist die Weisheit, die den Geist des Menschen sanft zur Suche und Liebe des Wahren und Guten hinzieht und den durch sie geleiteten Menschen vom Sichtbaren zum Unsichtbaren führt.
ibidem, 15
Zweite Bereich, wo die zwei Dokumente sich treffen, ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Papst Pius X verurteilt aufs Schärfste dass die Modernisten eine scharfe Trennung anstreben, in dem Sinne, dass der Katholik als Bürger sich nur und sogar vorrangig an das staatliche Recht halten soll und das göttliche Recht dabei ausblenden oder sogar dem weltlichen Recht unterordnen soll.
Auch hier betont die Konstitution Gaudium et spes dass der Christ seinen Glauben nicht auf die Kirche und sein Privatleben beschränken soll, sondern dass der Glaube sich auch in seinem Verhältnis zum Staat, Gesellschaft, Politik wiederspiegeln soll.
Die Laien aber, die am ganzen Leben der Kirche ihren tätigen Anteil haben, sind nicht nur gehalten, die Welt mit christlichem Geist zu durchdringen, sondern sie sind auch dazu berufen, überall, und zwar inmitten der menschlichen Schicksalsgemeinschaft, Christi Zeugen zu sein.
ibidem, 43.
Ich habe noch einmal auch den Dekret Lamentabili sowie den Text des Antimodernismuseids durchgelesen und ansonsten nichts gefunden, was in „Gaudium et spes“ thematisiert geschweige denn widerrufen wurde. Ich lasse mich aber gerne des besseren belehren. Falls euch was aufgefallen ist, bitte schreibt es in den Kommentaren.
Was mir dagegen aufgefallen ist, beschäftigt sich die Konstitution durchaus mit Themen, die bei dem Synodalen Weg und teilweise auch bei der Vollversammlung besprochen werden. Und zwar widerspricht sie ziemlich klar den Ideen, die hierzu der Synodale Weg zu forcieren versucht.
Über die Ehe sagt „Gaudium et spes“…
nicht überall erscheint die Würde dieser Institution in gleicher Klarheit. Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde. Darüber hinaus wird die eheliche Liebe öfters durch Egoismus, bloße Genusssucht und durch unerlaubte Praktiken gegen die Fruchtbarkeit der Ehe entweiht. Außerdem tragen die heutigen wirtschaftlichen, sozialpsychologischen und staatlichen Verhältnisse erhebliche Störungen in die Familie hinein. Schließlich werden in manchen Teilen der Welt die Probleme der Bevölkerungszunahme mit Besorgnis registriert. Durch all dies wird das Gewissen der Menschen beunruhigt. Andererseits zeigen sich Bedeutung und Stärke von Ehe und Familie als Institution gerade dadurch, dass sogar die tiefgreifenden Veränderungen der heutigen Gesellschaft trotz aller daraus entstehenden Schwierigkeiten sehr oft die wahre Eigenart dieser Institution in der verschiedensten Weise deutlich werden lassen. Darum will das Konzil durch besondere Hervorhebung bestimmter Hauptpunkte der kirchlichen Lehre die Christen und alle jene Menschen belehren und bestärken, die die ursprüngliche Würde der Ehe und ihren hohen und heiligen Wert zu schützen und zu fördern suchen.
ibidem, 47
Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d.h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft. Dieses heilige Band unterliegt im Hinblick auf das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Willkür. Gott selbst ist Urheber der Ehe, die mit verschiedenen Gütern und Zielen ausgestattet ist; sie alle sind von größter Bedeutung für den Fortbestand der Menschheit, für den persönlichen Fortschritt der einzelnen Familienmitglieder und ihr ewiges Heil; für die Würde, die Festigkeit, den Frieden und das Wohlergehen der Familie selbst und der ganzen menschlichen Gesellschaft.
ibidem, 48
Durch ihre natürliche Eigenart sind die Institution der Ehe und die eheliche Liebe auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet und finden darin gleichsam ihre Krönung. Darum gewähren sich Mann und Frau, die im Ehebund nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch (Mt 19,6), in inniger Verbundenheit der Personen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst und erfahren und vollziehen dadurch immer mehr und voller das eigentliche Wesen ihrer Einheit.
Diese innige Vereinigung als gegenseitiges Sichschenken zweier Personen wie auch das Wohl der Kinder verlangen die unbedingte Treue der Gatten und fordern ihre unauflösliche Einheit.
Das sei nun mal der DBK und Bischof Bätzing ins Stammbuch geschrieben, wenn man sich auf „Gaudium et spes“ beruft, sollte man vorher überprüfen ob der Schuss nicht nach hinten geht.

Döhlau - Oberkotzau
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